Nachrichten

Jugend 02.04.2016

<< zurück

10 Jahre EJCF: Interview mit Festivalleiterin Kathrin Renggli

Kathrin Renggli, das Europäische Jugendchorfestival EJCF feiert in diesem Jahr seine 10. Ausgabe. Am Auffahrtswochenende 2016 werden insgesamt über 2100 Kinder und Jugendliche mit Chören aus 11 europäischen Ländern über 40 Konzerte geben, ein Gastchor aus Indonesien ist ebenfalls mit von der Partie.

Blicken wir zurück zu den Anfängen des Festivals. Wie fing alles an und wo steht das Festival im Vergleich dazu heute?

Das Festival wurde 1992 aufgrund einer Initiative der Christoph Merian Stiftung Basel ins Leben gerufen. Diese schrieb einen Wettbewerb zum Thema «Basel - Stadt der Begegnung» aus. Die Idee ein Chorfestival zu gründen, gewann den ersten Preis. Die Förderung der Begegnung hat deshalb seit der Festivalgründung den gleichen Stellenwert, wie die Konzentration auf höchste musikalische Qualität.

Das Festival ist in den vergangenen 24 Jahren eher in die Tiefe als in die Breite gewachsen. Für die 800 Singenden im Hauptprogramm findet die Begegnung heute nicht nur in den Gastfamilien statt, sondern auch beim gemeinsamen Singen von Volksliedern und Erarbeiten von Uraufführungen, bei einer Party und einer Schifffahrt sowie im musikalischen Austausch mit lokalen Chören.

Auf musikalischer Ebene entwickelte sich das Festival europa- oder sogar weltweit zur renommiertesten Plattform für herausragende Jugendchöre. Die konzeptionell verankerte Fokussierung auf hochqualifizierte Jugendchöre, welche für ein zahlreiches Publikum singen, ist bis heute praktisch konkurrenzlos geblieben. Dies ist für uns ein Glücksfall, weil unser Festival damit für die internationale Chorszene besonders attraktiv ist.  

 

Wie hat sich das Festival entwickelt bzw. welche Bereiche wurden Ihnen im Laufe der Jahre wichtiger?

Ich übernahm das Festival im Jahr 2004 und fügte damals als dritten Leitgedanken die «Bildung und Animation zum Singen» bei. Heute zeigen zusätzlich zum Hauptprogramm die Gymnasiumschöre der Region Basel sowie Nachwuchschöre der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft in drei Matineen ihr beachtliches Können. In zwei Singplauschs treffen sich gegen 500 Kinder und Jugendliche aus der ganzen Schweiz zum gemeinsamen Singen. Sie führen in diesem Jahr das «Requiem» von W.A. Mozart als «Sing-along»-Veranstaltung auf oder widmen sich, unter anderem in einem Offenen Singen für das Publikum, den Liedern von Mani Matter.

2010 fand das vom Festival initiierte Schweizerische Chorleiter/innen-Treffen zum ersten Mal statt. Inzwischen hat sich das Treffen mit Workshops und Notenausstellungen als unverzichtbaren, szenenübergreifenden Treffpunkt für Chorleitungen etabliert. Neu dürfen wir dank des Engagements einer Stiftung zehn Chorleiter/innen in Ausbildung aus acht europäischen Ländern einladen. Teil ihres Stipendiums ist die Durchführung eines eigenen Chorprojektes in ihrem Herkunftsland. All diese neuen Formate bezwecken letztlich die Förderung des Knowhows im Bereich Chorleitung und die Erweiterung des eigenen Horizontes über alle vermeintlichen Grenzen hinweg.

 

Welche besonderen Momente gab es für Sie in den vergangenen 10 EJCFs?

Besondere Momente entstehen immer da, wo sich Menschen einer Sache ohne Wenn und Aber hingeben. Dies erlebte ich hundertfach beim totalen Engagement der Singenden auf der Bühne, aber auch bei den rund 800 Freiwilligen und Gastfamilien, welche selbst das Unmögliche möglich machen oder dem ungewöhnlich zahlreichen Publikum, welches in grosser Dankbarkeit und Solidarität unsere Konzerte geniesst.  

 

Die singende europäische Jugend findet sich alle zwei Jahre in Basel ein, um sich zu präsentieren und mit anderen Chören auszutauschen. Wie profitiert die Schweiz als Gastland vom EJCF?

Oft wird der Schweiz Rosinenpickerei vorgeworfen. Das Festival ist eine wunderbare Chance für die Schweiz, seine Gastfreundschaft und sein Interesse an den verschiedenen Kulturen Europas in den Fokus zu rücken. Durch die Ausrichtung auf Austausch und den bewussten Verzicht auf jegliche Bewertung der Darbietungen der verschiedenen Chöre versinnbildlicht das Festival optimal die Schweizer Neutralität. Das Festival geniesst im In- und Ausland grosse Sympathien und Unterstützung. Ich denke, die Schweiz darf durchaus stolz darauf sein, einen solchen Event, unter anderem mittels finanzieller Unterstützung mit Steuergeldern, zu ermöglichen. 

 

Auf welche speziellen Jubiläumsveranstaltungen dürfen sich BesucherInnen und SängerInnen des EJCF 2016 freuen?

Am Samstagnachmittag trifft man sich nach dem traditionellen «Singe uf dr Strooss» auf fünf Open-Air-Bühnen in der Basler Innerstadt zum Jubiläums-Event «The Power of Music» auf dem Basler Münsterplatz. Nationalrätin Maya Graf, Philosophin Annemarie Pieper und Slampoet Laurin Buser überbringen dem Festival kurzweilig ihre Glückwünsche.
Danach erscheinen aus allen Himmelsrichtungen singende Chöre und eine 800-stimmige europäische Kakophonie taucht den Platz in eine einzige Klangwolke. Geleitet von neun Alphörnern finden zuerst die Chöre und später auch das Publikum zur gemeinsamen Melodie. Diese basiert auf Naturtönen und setzt damit die Suche nach verbindenden europäischen Elementen auf musikalische Art und Weise um.

Am selben Abend findet im Stadtcasino das Festliche Jubiläumskonzert «The Colours of Cultures» statt. Nebst einem unterhaltsamen Volksliederprogramm stehen Neukompositionen über ein Schweizer Volkslied aus bulgarischer, niederländischer, norwegischer und türkischer Feder auf dem Programm. Dieses Konzert steht auch allen Gastchören zum Besuch offen.

 

Wagen Sie einen Ausblick auf die nächsten 10 Jahre EJCF: Wie wird es weitergehen?

Etwas vom Schönsten bei der Gestaltung des Festivals ist die Freiheit, spontan auf aktuelle Bedürfnisse der Chorszene und der Bevölkerung reagieren zu können. Es ist wunderbar, noch nicht zu wissen, wie es weitergehen wird. Trotzdem: Die wohl auch zukünftig eher instabile politische Lage in Europa wird nach Reaktionen verlangen. Wir werden deshalb auch zukünftig unseren Beitrag zu einer friedlichen Welt des Miteinanders leisten. Und natürlich auch zur Pflege des gemeinsamen Singens. Mit welchen Mitteln genau, das wird sich zeigen. Ich bin selbst gespannt darauf.

EJCF-Leiterin Kathrin Renggli

Interview: Franziska Frey