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Musik 12.04.2017

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Musik entdecken von A bis Z: C

Eines der berühmtesten und radikalsten Stücke von John Cage ist «4’33». Der 1912 in Los Angeles geborene Komponist lässt den Interpreten des Werkes drei Sätze und insgesamt 4 Minuten und 33 Sekunden lang nach der Spielanweisung «tactet» spielen – also schweigen. Das ist eine Provokation. Aber «4’33» ist auch ein Werk, das interessante Fragen aufwirft: Gibt es absolute Stille? Ist auch ein perfekt isolierter Raum klanglos? In einem Konzertsaal gibt es immer hustende Zuhörer, knarrende Sitze, knisternde Bonbon-Papiere ... Dann stellt Cage mit «4’33» auch die Frage nach dem Wesen der Musik. Ist die allgegenwärtige Beschallung in Kaufhäusern oder öffentlichen Gebäuden «Musik»? Und schliesslich ist «4’33» auch Ausdruck von Cages Begeisterung für die Zen-Philosophie und ihre Ästhetik des Weglassens, der Reduktion.

Das folgende Beispiel zeigt eine Interpretation von John Cages «4’33» für Orchester (Dirigent: Lawrence Foster).

https://vimeo.com/3176013

 

Selbstironie

John Cage wurde zu einem der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und beeinflusste mit seinem radikalen und innovativen Schaffen die Neue Musik grundlegend. Trotz seines immensen Erfolges, der durchaus auch kontrovers diskutiert wurde, war John Cage einer, der seinen eigenen Ideen durchaus selbstironisch gegenüberstand. Ein Beispiel dafür ist sein erfrischend schelmischer Auftritt 1960 bei CBS:

https://www.youtube.com/watch?v=SSulycqZH-U&index=5&list=PLEBEDB7C409F2AC27&ab_channel=holotone

 

Experimentelle Vokalmusik: Song Books

Eines der interessantesten Vokalwerke gelang Cage mit seinen Song Books. Mit jedem Stück der Sammlung offeriert Cage unterschiedliche Möglichkeiten, der Musik zu begegnen: Mit oder ohne Elektronik, mit oder theatralische Inszenierungen, interpretierbar von beliebig vielen Sängerinnen und Sängern, beliebig kombinierbar in der Reihenfolgen usw. Auch die Notation der Musik unterscheidet sich, und die Texte (u.a. von Henry David Thoreau und Marcel Duchamp) sind typographisch individuell gestaltet. Vieles entscheidet also der Zufall, vorgegeben ist nur die Dauer der Aufführung.

Gesamte Einspielung: https://www.youtube.com/watch?v=tfgX7Xj-fcc&ab_channel=RadimKol%C3%A1%C5%99

 

Wie sind diese Stücke komponiert? Jedes Solo ist separat und jeweils in einer anderen Notation geschrieben. Zusätzlich gibt Cage zu jedem Stück Hinweise für die Ausführung. Einige Beispiele:

Musik und Poesie

John Cage hat mehr als 250, teilweise sehr provokante Werke geschrieben. In seinem Oeuvre finden sich aber auch verinnerlichte und poetische Stücke, die er vor allem für präpariertes Klavier geschrieben hat – ein Erfindung, die aus der Not geboren wurde. Cage hatte nämlich eine Musik zu einem Ballett seines Lebenspartners Merce Cunningham geschrieben, die aufgrund der Platzverhältnisse in einem der Orchestergräben auf der Tournee nicht aufführbar war. Die Perkussionsinsturmente hatten schlicht keinen Platz. Cage hat daraufhin kurzerhand einen Flügel mit allerlei Gegenständen präpariert und so zu einem kompakten Perkussionsorchester umfunktioniert:

https://www.youtube.com/watch?v=pUTXNxFvjDw&ab_channel=cathodeglitch

 

Zum Schluss ein poetisches Werk von Cage: «The Wonderful Widow of Eighteen Springs» ist ein Lied für Singstimme und geschlossenes Klavier aus dem Jahr 1942. Als Textgrundlage verarbeitete Cage eine Passage aus James Joyces «Finnegans Wake». Die Pianostimme ist präzise vorgegeben und verlangt von der Pianistin/dem Pianisten, dass er oder sie den Rhythmus mit den Händen klopft – auf dem gesamten Instrument ausser der Tastatur ...

https://www.youtube.com/watch?v=ZppNyamfyqc&ab_channel=DavidSchotzko

Autor T. Dagon / Übersetzung F. Frey