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Musik 19.10.2018

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Musik von A bis Z: M wie Monteverdi

Kritik

"Diese Lieder tönen hart und unangenehm. Das sind deformierte Dinge in Bezug auf Natur und wahre Harmonie. Es ist ungebildete Musik. Selbst ein Anfängerkind würde solche Unvollkommenheiten nicht begehen."

Dies ist nicht die Kritik an einem Avantgarde-Werk, einem musikalischen Happening der 70er Jahre oder einem gewagten elektroakustischen Test. Giovanni Maria Artusi (italienischer Theoretiker und Komponist, geboren um 1540, gestorben 1613) verurteilt die Madrigale von Monteverdi aufs Schärfste. Artusi ist übrigens hauptsächlich für sein eher lahmes Pamphlet gegen Monteverdis Musik bekannt.

Prima le parole, poi la musica

Monteverdi (Cremona 1567 - Venedig 1643) vertritt die literarische und musikalische Auffassung der Humanisten: Die Musik muss nach dem Rhythmus der Worte geschaffen sein. Er geht sogar weit darüber hinaus: Kontrapunktische Linien und Harmonien sollen den Text illustrieren. Die Musik verstärkt die Emotionen, die sich im Text zeigen. Monteverdi legt sich nach diesem Prinzip strenge Regeln auf. Und deshalb zieht er den Zorn von Artusi auf sich. Indem er Dissonanzen aneinanderreiht, wenn der Text es verlangt und Sequenzen mit ungewöhnlichen Intervallen verwendet, schafft der Komponist eine sinnliche und farbenreiche Musik, die nicht jedem gefällt. Die Zeit hat ihm jedoch Recht gegeben.

Im folgenden Madrigal, von den Art Florissants meisterhaft interpretiert, ist dieser Gebrauch von Dissonanzen bei dem Wort «crudelissima» gut zu hören.

https://www.youtube.com/watch?v=iKbMolqK-5M

Orfeo

Die erste Aufführung des Orfeo von Claudio Monteverdi wird am Hoftheater von Mantua, Italien, am 24. Februar 1607 gegeben. Es ist unter Musikwissenschaftlern und Musikliebhabern üblich, dieses Werk als Geburt der westlichen Oper zu betrachten. Aber gab es keine andere Form des Spektakels, die mit der Oper vor 1607 vergleichbar ist? Aber natürlich! Monteverdi hat die Oper nicht «erfunden», er hat die verschiedenen musikalischen Formen, die zu seiner Zeit in Mode waren, vielmehr brillant zusammengefügt. Die Ideale der italienischen Aristokratie erfüllend, war er in der Lage, das musikalische Spektakel zu erneuern und populär zu machen. Die Begegnung zwischen Theater und Musik hatte natürlich nicht auf Monteverdi gewartet. Ab dem Mittelalter bereits wurden kurze biblische Episoden – Mysterien oder Wunder genannt – auf die Bühne gebracht und musikalisch untermalt. Was die Oper aber von den vorhergehenden Formen unterscheidet, ist die volle Einbeziehung der Musik in die Theaterhandlung. Sie ist nicht nur Zubehör oder Dekoration. Sowohl das Singen als auch die Orchestrierung sind Teil des Ausdrucks der Gefühle der Figuren, der Atmosphäre sowie der Entwicklung der Handlung. Bereits im Jahr 1597 hat der Komponist Jacopo Peri eine Inszenierung der griechischen Legende von Dafne geschaffen. Leider ging diese Partitur verloren. Peri komponierte glücklicherweise noch ein zweites Musikspektakel: Euridice. In dieser ersten musikalischen Version des Mythos von Orpheus und Eurydike (deren Partitur erhalten ist) finden wir alle Hauptmerkmale der Oper: Wechsel zwischen gesungenen Passagen (Arien) und Rezitativen, eine grosse Anzahl von begleitenden Instrumenten und eine für jeden Charakter spezifische Gesangsstimme.

Orfeo ist nicht die erste Oper und Claudio Monteverdi hatte die Ideen der Camerata fiorentina in sein Schaffen miteinbezogen. Aber sein Orfeo markierte eine regelrechte Zäsur. Denn die Wahl eines griechischen Mythos nach den Idealen der Camerata fiorentina setzt nicht mehr das Wort oder Libretto in das Zentrum, sondern die Emotionen der Figuren. Dieser musikalische Reichtum, der emotionale Ausdruck der Sängerinnen und Sänger, verkündet die Barockzeit. Die geniale Innovation Monteverdis war also, die verschiedenen musikalischen Formen seiner Zeit zusammenzuführen und zu mischen: Rezitativ, Arie, polyphone Chöre, Tänze und Ritornelle – alle finden sich in seinem Orfeo.
Nun im folgenden Orfeo ein Moment purer Freude unter der sehr weisen Leitung von Jordi Savall mit der grossartigen Stimme des Baritons Furio Zanasi. https://www.youtube.com/watch?v=u0qkP1kvEdQ

Vespro della Beata Vergine

Kurz nach Herausgabe des Orfeo überrascht die Papst Paul dem V. gewidmete Vesper von Monteverdi wieder durch ihre Kühnheit und emotionale Kraft. Stile Antico und Stile Moderno, die Polyphonie im Renaissance-Stil und der monodische und konzertante Stil des Barock werden hier perfekt kombiniert. Die Wichtigkeit des Textes – wie bereits erwähnt ein Meilenstein bei Monteverdi –, die Virtuosität des Singens und die Unabhängigkeit der Stimmen sind Merkmale dieses erstaunlichen Werks. Der berühmte erste Satz dieser Arbeit haut uns von Anfang an aus den Socken! Und für anderthalb Stunden sind die Zuhörenden gebannt.

Obwohl man das Werk als Ganzes hören sollte, schlage ich den ersten Satz vor. Inspiriert durch die Eröffnung des Orfeo, bietet dieser Teil uns zunächst einen einzigen Akkord, der vom Chor unermüdlich wiederholt wird, während die Instrumente reich verzieren. Der Effekt gelingt, wenn am Ende des Satzes auf dem Wort Halleluja der Akkord unerwartet wechselt. Das Ensemble wird hier vom Zinkspieler Jean Tubéry geleitet. Sicherlich werden Sängerinnen und Sänger, die häufig alte Musik singen, den Schweizer Lautenisten Matthias Spaeter erkennen.

https://www.youtube.com/watch?v=MHCf9KSj-gk

Claudio Monteverdi

Thierry Dagon