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Chöre 09.03.2021

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Impulsbeitrag des Kantons Bern für zwei Mitgliedschöre der SCV

Der Impulsbeitrag des Kantons Bern beinhaltet, dass die Chöre während drei Jahren mit einem Coach an ihrer Weiterentwicklung arbeiten können. 29 Chöre bewarben sich um den Unterstützungsbeitrag, elf Chöre aus den verschiedensten Sparten wurden ausgezeichnet. Insgesamt subventionierte der Kanton Bern die Chöre mit 250‘000 Franken, die beiden SCV-Chöre «ardent» und der «Berner Münster Kinder- und Jugendchor» mit je 25‘000 Franken. Was wollen sie mit dem Coaching erreichen? Was macht das Besondere an ihrem Chor aus? Und wie geht es ihnen momentan? Wir haben bei beiden Chören nachgefragt.

 

Das Vokalensemble «ardent»

Im Jahr 2009 von Chorleiter Patrick Secchiari gegründet, macht das Vokalensemble «ardent» seither mit originellen Konzertprogrammen auf musikalisch hohem Niveau Furore. Dabei konzertieren die Sänger*innen immer wieder an ungewöhnlichen Orten, wie beispielsweise im Schaufenster des Warenhauses LOEB, am Swiss Economic Forum, in einer Backstube, im Kreuzgang eines Klosters oder im Nationalratssaal des Bundeshauses. Der Chor verfügt über eine stilistisch grosse Bandbreite und wird deshalb regelmässig an Festivals eingeladen. Er arbeitet mit Orchestern in Bern und Umgebung sowie dem Konzert Theater Bern zusammen. Bekannte Stücke werden mit Raritäten der Literatur kombiniert. Die Sänger*innen gestalten immer wieder Uraufführungen mit, wie etwa die spartenübergreifende Produktion «Die Formel» 2018 am Konzert Theater Bern. Für verschiedene szenische Projekte hatten Komponisten sogar neue Werke für «ardent» geschrieben.

Patrick, wie ist die Stimmung momentan in eurem Chor? Probt ihr online oder pausiert ihr?

Wir machen seit dem Chorverbot im Oktober Pause. Onlineproben machen bei uns keinen Sinn, da wir sehr gute Sängerinnen und Sänger haben, die die Stücke selber einüben können. Sobald aber Proben wieder möglich sind, werden wir den Betrieb sofort wieder hochfahren. Wir haben im Moment drei Programme, die auf Abruf parat sind. Wenn man wieder proben kann, werden wir entscheiden, welches Projekt als erstes aufgeführt wird.

Was sind denn eure nächsten Projekte?

Zum einen das Projekt «Vater und Sohn» mit Musik von den Mozarts, das für diesen September geplant ist und die «Tour de Berne», ein Wanderkonzert durch die Altstadt von Bern, welches diesen Mai zur Aufführung kommen soll. Ein weiteres Projekt, das wir in den nächsten Jahren in verschiedenen Settings aufführen wollen, ist das Weihnachtsoratorium. Hier beginnen wir diesen Winter mit den ersten drei Kantaten. Der Chor, das Orchester und die Solisten werden vom Barockgeiger John Holloway gecoacht. Nächstes Jahr wollen wir das Weihnachtsoratorium dann auch als Mitsingkonzert aufführen und im dritten Jahr kommen die Kantaten vier bis sechs an die Reihe. Ziel ist am Schluss das ganze Weihnachtsoratorium auswendig zu spielen und zu singen.

Wie war die Reaktion in eurem Chor, mitten in der Coronakrise den Impulsbeitrag zu erhalten?

Wir hatten uns grosse Mühe gegeben mit dem Dossier und uns dementsprechend auch erhofft, einen Beitrag zu erhalten. Aber natürlich war die Freude gross – gerade in der Zeit der Pandemie. Der Preis kam genau im richtigen Moment, als die Stimmung ein bisschen im Keller war.

Wie läuft nun der Prozess beim Impulsbeitrag ab?

Wir werden von einem Coach begleitet, der uns einen Aussenblick vermittelt, mit uns herausfindet, wo unsere Stärken und Schwächen liegen und wo wir uns noch entwickeln können. Die erste Tranche haben wir bereits erhalten, um mit dem Coach zu beginnen. Die ganze Beitragsdauer beläuft sich über drei Jahre und in diesen drei Jahren muss man eine Entwicklung aufzeigen. Wir wollen sicher den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen und hoffen auf neue Impulse durch das Coaching.

Wie entstehen eigentlich eure aussergewöhnlichen Projekte? Sind es Ideen, die in deinem Kopf wachsen oder vor allem Anfragen?

Es ist eine Mischung. Die Ideen für die überraschenden Konzertprogramme und Orte kommen sicher von mir und auch vom Vorstand. Wir haben einen Vorstand, der sehr aktiv mitdenkt, und auch eine Geschäftsführung mit Niklaus Egg. Wir werden aber auch oft angefragt, weil wir uns mit besonderen Formaten bereits einen Namen gemacht haben und da schon viel Erfahrung mitbringen.

Was macht das Besondere an eurem Chor aus?

Wir haben eine flexible Besetzung, es gibt einen Stammchor und Gastsängerinnen und -Sänger. Sie müssen vorsingen, eine ausgebildete Stimme haben sowie mit Leichtigkeit Noten lesen. Mit diesem flexiblen System können wir rasch einen Chor für ein Projekt auf die Beine stellen. Der Nachteil ist, dass ich eigentlich jedes Mal eine neue Besetzung habe und auch jedes Mal am Chorklang arbeiten muss. Wir singen ausserdem nie ein 0815-Repertoire.

Wie schaust du angesichts der momentanen Situation in Zukunft?

Ich bin momentan verhalten, weder optimistisch noch pessimistisch. Mein grösster Wunsch ist, dass das Singen bald wieder möglich ist!

Alle Informationen u.a. zu im Interview beschriebenen Projekten sind auf der Webseite des Ensembles «ardent» www.ardent.ch zu finden.


Foto: Roland Finsterwalder



Der Berner Münster Kinder- und Jugendchor

Musikalische Qualität auf höchstem Niveau, Freude an der Musik, lebendige Vermittlung von Bibeltexten und eine zwischenmenschlich verbindliche Gemeinschaft sind die wichtigsten Ziele des Berner Münster Kinder- und Jugendchors (BMKJC). Bereits 2003 als Projektchor gegründet, ist er seit 2012 ein fester Verein. Er führt geistliche Chormusik in grosser Bandbreite unter Einbezug von weltlichem Repertoire auf und tritt regelmässig in Gottesdiensten und Konzerten mit bekannten Ensembles der Stadt Bern auf, wie zum Beispiel beim Weihnachtsoratorium mit «Les Passions de l’Ame» oder bei Haydns Jahreszeiten mit der «Berner Kantorei». Heute zählt er über 100 Sänger*innen im Alter von 6 bis 21 Jahren, die aufgeteilt in fünf Gruppen proben. Johannes Günther, musikalischer Leiter des Chors, wird unterstützt durch Co-Leiterin Katrin Günther und die Stimmbildnerin Jeannine Nuspliger. Gleich zwei Preise hatte der BMKJC im Jahr 2020 erhalten: neben dem Impulsbeitrag auch den Kulturvermittlungspreis des Kantons Bern.

 

Herr Günther, seit dem 1. März dürfen Kinder- und Jugendchöre wieder proben. Hatten Sie schon eine Chorprobe?

Wir haben gleich in der ersten Woche, in der das Proben wieder möglich war, unsere erste Chorprobe durchgeführt. Vormittags zuerst die Kinder in den vier Gruppen und dann am Abend der Jugendchor. Natürlich mit Sicherheitsabstand und die Älteren mit Maske, wir haben ein sehr strenges Schutzkonzept. Aber alle Beteiligten haben sich total gefreut, sich wieder zu sehen und miteinander zu singen! Wir hatten sogar elf Schnupperkinder dabei, da aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit und der Preise sich neue Kinder für den Chor interessieren!

Laut einem SRF-Beitrag im Radio gaben Sie in den letzten Monaten Stimmbildung und online Chorproben. Konnten Sie die Motivation aufrechterhalten?

Das ist auf jeden Fall gelungen. Auch wenn die Angebote unterschiedlich aufgenommen wurden. Wir haben vor kurzem noch ein Videoprojekt gestartet, bei dem uns die Kinder ihre Aufnahmen einschicken konnten, die wir dann zu einem Video zusammenschneiden werden. Einige Kinder haben etwas von sich eingeschickt, andere nicht, aber insgesamt werden die Angebote sehr geschätzt. Wir hatten nicht nur trockene Übungsaufnahmen, sondern einen ganzen Adventskalender mit 24 kleinen Videos mit Musik und Weihnachtsgeschichten gestaltet. Das war eine gute Möglichkeit, mit den Kindern in Kontakt zu bleiben.

Wie war die Reaktion in Ihrem Chor, mitten in der Coronakrise gerade zwei Auszeichnungen zu erhalten, den Impulsbeitrag und den Kulturvermittlungspreis des Kantons Bern?

Für uns waren beide Preise überraschend, wobei wir uns für den Impulsbeitrag ja bewerben mussten. Der Kulturvermittlungspreis kam wirklich aus heiterem Himmel! Das hat uns natürlich wahnsinnig gefreut, auch weil wir immer gemerkt haben, dass unser unmittelbares Umfeld unsere Arbeit zwar mit Begeisterung mitträgt, aber die weitere Aussenwahrnehmung noch vergrössert werden könnte. Nun erhielten wir diese Anerkennung. Der Impulsbeitrag war natürlich auch eine grosse Freude. Vor allem rechnet man in einer Pandemie nicht mit zwei solch tollen Preisen!

Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial für Ihren Chor in den nächsten drei Jahren?

Wir sind schon seit mehreren Jahren daran, Strategieplanung zu betreiben mit dem Vorstand, dem Team und den Eltern und jetzt können wir dieses Bemühen mithilfe des Coachings professionalisieren. Ein wichtiger Punkt ist die Anstellung einer vierten Person für die musikalische Arbeit aufgrund des grossen Wachstums unseres Chors. Zweitens möchten wir auch die Qualität unserer Arbeit steigern. Wir mussten feststellen, dass einige Jugendliche nicht blattlesen können, obwohl sie hervorragend auswendig Bach singen und eine tolle Stimme haben. Diese Fähigkeiten wollen wir dringend verbessern. Zudem müssen wir uns auf die Suche nach verlässlichen Partnern machen, da die Finanzierung zum Beispiel für die vierte Person noch nicht gesichert ist. Weitere wichtige Punkte sind Öffentlichkeitsarbeit und Projektmanagement. Momentan sind wir mit mehreren Spezialisten im Gespräch und werden uns dann für eine Person entscheiden und diese in den laufenden Strategieentwicklungsprozess miteinbeziehen. Die 25‘000 Franken Preisgeld sind schnell aufgebraucht, deshalb wollen wir sie effizient nutzen.

Der Gesamtchor besteht aus über 100 Kindern und Jugendlichen. Kann Ihr Chor überhaupt noch wachsen?

Auf jeden Fall! Ich finde, wir sind eigentlich bereits eine kleine Singschule. Mir schwebt vor, dass wir offiziell die «Münstersingschule Bern» werden, eine richtige Ausbildungsinstitution. Da gibt es verschiedene Vorbilder in der Schweiz und insbesondere auch in Deutschland, wie zum Beispiel die Domsingschule Braunschweig, wo es 600 Kinder und Jugendliche sind. Wir wollen nicht so gross werden, da geht der Überblick dann verloren. Aber wir können durchaus noch weiter wachsen und für den Kanton, die Stadt und insbesondere für das Berner Münster einen noch grösseren Gewinn darstellen. Im Moment haben wir etwa 16 Auftritte pro Jahr, mit den fünf Gruppen gibt es aber Potenzial für eine höhere Auftrittsfrequenz.

Was ist das Erfolgsrezept Ihres Chors, so viele Kinder und Jugendliche zu begeistern?

Ich glaube, wir können den Kindern und Jugendlichen die Begeisterung an der Musik und am Ausdruck vermitteln. Die biblischen Geschichten sind ja emotional unglaublich intensiv und spannend. Wenn wir die Kinder daran teilhaben lassen, dann leben sie auch darin, gehen erfrischt und belebt nach Hause und kommen mit Begeisterung wieder. Je besser sie das hinkriegen, desto mehr Spass macht es ihnen und desto mehr Wirkung erzielen sie auch beim Publikum. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die soziale Komponente, zum einen zwischen den Kindern und den Leiter*innen, aber natürlich auch zwischen den Kindern selbst. Ein Jugendlicher zum Beispiel, der berufshalben ausgetreten ist, hat uns zurückgemeldet, dass er im Chor so sein konnte, wie er ist. Das ist es, was wir wollen: Dass sich die Kinder so angenommen fühlen, wie sie wirklich sind.

Auf der Internetseite www.bmkjc.ch sind alle aktuellen Termine des Berner Münster Kinder- und Jugendchors zu finden. Ein Highlight 2021 ist das Konzert mit den King‘s Singers am 19. September im Berner Münster. Aufgrund der momentanen Lage ist die Durchführung nicht sicher. Bitte informieren Sie sich laufend über den aktuellen Stand.

v.l.: Katrin Günther, Co-Leiterin, Christine Mallaun, Geschäftstellenleiterin und Johannes Günther, musikalischer Leiter. Foto: Annette Boutellier

Isabelle Schmied