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Was bringt ein Wettbewerb?
Heterogenität: Fluch oder Chance?
SCV - Ein Chor ist in seiner Anlage die Diminution der Gesellschaft. Der Regisseur Kay Pollak des umwerfenden, weil extrem wahren Chor-Films «As it is in heaven» geht sogar so weit, dass er neben den bekannten Prototypen (Führer, Mitläufer, Kritiker, Integrationsfiguren) einen behinderten jungen Mann mitsingen lässt. Die Heterogenität der Psychogramme macht einerseits die Farbigkeit und die Dynamik der Gruppe aus. Andrerseits behindern die verschiedenen Vorstellungen, die divergierenden Wünsche und die unterschiedlichen Befindlichkeiten die Definition eines gemeinsamen Nenners. Denn auch bei vorhandener Singlust - der einzigen gemeinsamen Voraussetzung - gehen die Ideen, mit welchem Engagement man und frau sich beteiligt, oft erheblich auseinander. Die chorische Leistung betreffend kann sich das in ordinärem Klang, in unpräziser Sprache, flacher Dynamik, knapper Intonation und/oder spannungsloser Rhythmik äussern. Es ist die Aufgabe des Chorleiters (Mission impossible...?), die Zielvorstellungen und den Energieaufwand der Mitglieder so zu koordinieren, dass eine gemeinsame, der Musik dienliche Leistung entstehen kann.
But not for me ...
Viele chorsingende Laien benutzen ihre Stimme fast ausschliesslich im Rahmen ihrer genuinen Möglichkeiten. Für die wenig Selbstbewussten hat darum der Vergleich einer quasi gottgegebenen Fähigkeit schon fast etwas Unanständiges. Und es stellt sich ihm unmittelbar die Frage, was das soll und bringt, besser zu sein, bzw. besser singen zu wollen, als die anderen? Ein ganz und gar arrogantes Setting! Das «Sich über andere erheben wollen» hat für manchen etwas Lautes. Unanständiges. Unnötiges. Man singt. Man hat nichts zu beweisen. Man ist und tut, was man kann. Das muss genügen.
Stärke durch Gemeinschaft
Diese Überlegungen mögen dem einzelnen Sänger aus dem Argumentationsnotstand helfen. In einem Chor ist man aber nicht nur sich selbst verpflichtet, sondern und vor allem der Gruppe und – matchentscheidend – der Musik. Eine überzeugende Chorleistung ist nicht primär die Summe von Individualleistungen (das auch), sondern viel mehr eine gelungene Gruppenleistung; es geht also unter anderem um Gemeinnutz. Was ein Fussballteam zu engagiertem Zusammenspiel motiviert, könnte auch in anderen Situationen dem Gemeinnutz zugute kommen. Wie eine Forschergruppe am Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik in spieltheoretischen Untersuchungen zudem herausgefunden hat, handeln die Mitglieder einer Gruppe dann besonders uneigennützig und zum Wohl der Gruppe, wenn sich ihre Gemeinschaft im Wettbewerb mit anderen befindet. Sie nehmen sogar eigene Nachteile hin.
Was bringt der Wettbewerb dem Chor?
Wird die Frage also anders herum gestellt, nämlich «Was bringt die Wettbewerbssituation dem Chor und der Musik?», so überwiegen die Argumente dafür plötzlich: Gemeinsame Aktion und gemeinsames Tun für das gemeinsame Ziel, die Musik jenseits der eigenen Befindlichkeit optimal zum Klingen zu bringen – jeder und jede mit seinen 100%, die er oder sie zu geben vermag. Diese Erkenntnis entlastet den Einzelnen und stärkt die Gruppe.
Was bringt der Wettbewerb der Musik?
Es gibt tausende von kurzen und längeren Kompositionen, welche das Singen als Labsal, als Jungbrunnen und als Freude bejubeln. Es freuen sich einerseits die Singenden selber und andrerseits die Zuhörenden, welche emotional beteiligt werden wollen. Dass diese Interaktionen und Energien nur dann fliessen, wenn schön, richtig und packend gesungen wird, liegt auf der Hand. Ebenso, dass die Wirkung verstärkt wird, wenn besonders schön, besonders richtig und besonders packend gesungen wird. Der Vorlauf zu einem Wettbewerb verhilft den Teilnehmenden zu einer vertieften Beschäftigung mit der Materie. Man legt die Noten weg, übt zu Ende, poliert den letzten Sechzehntel.
Unschätzbare Erfahrungen
Der Chor aus «As it is in heaven» meldet sich aus der gemeinsamen Erfahrung der gemeinsamen Stärke zu einem Wettbewerb an und macht unschätzbare musikalische und menschliche Erfahrungen. Siegen ist etwas Schönes - aber das ist nur ein Nebenschauplatz und betrifft wenige. Die Erkenntnis ist simpel: Musik entfaltet ihre umwerfende Wirkung nur, wenn die Qualität stimmt. Wettbewerbe bieten uns die seltene Möglichkeit, am Objekt der Musik zu lernen, die beglückende Wirkung von Musik am eigenen Leib zu erfahren und über uns selbst hinaus zu wachsen. So ist das. Melden Sie sich mit Ihrem Chor heute noch an.
Information
Der 10. Schweizerische Chorwettbewerb findet am 28. und 29. Oktober 2017 in Aarau statt. Die Schweizerische Chorvereinigung SCV präsentiert mit diesem Wettbewerb die aktuelle schweizerische Chorszene, gibt Anregungen zur Entwicklung der Chorkultur und fördert das Chorsingen in der Schweiz.
Anmeldung und weitere Infos auf www.chorwettbewerb.ch
Vreni Winzeler | Fotos: Silvio Marugg, Schaffhausen