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Chor 29.04.2019

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Karriere im Opernchor

Das Theater Basel hat seit Jahren einen Opernchor, der sich durch Beständigkeit auf höchstem Niveau, Spielwitz und ein differenziertes Stimmenspektrum auszeichnet; Nominationen und Auszeichnungen wie «Opernchor des Jahres» 2013 zeugen davon.

Die zurzeit 38 Ensemblemitglieder sind viel beschäftigt; in der laufenden Spielzeit sind sie in fünf Produktionen beteiligt, dabei unter anderem eine Uraufführung (Diodati. Unendlich von Michael Wertmüller und Dea Loher). Neben den abendlichen Vorstellungen gemäss Opernspielplan stehen auch konzertante Rahmenprogramme an. Seit der Spielzeit 2017/18 wird der Chor von Michael Clark geleitet, der die Arbeit des langjährigen Leiters Henryk Polus fortführt.

 

Spezifische Anforderungen im Opernchor

Der Erfolg soll weitergehen. In der nächsten Spielzeit sind sieben Produktionen zu bestreiten – doch es tut sich ein Mangel an Sängerinnen und Sängern auf, die sich mit stilistischer Kenntnis im breit gefächerten Repertoire (von Barock-Werken über romantische Opern und Operetten bis hin zur Moderne) bewegen können. Die drohende Überalterung bzw. der bevorstehende Aderlass durch Ruhestand bereitet Michael Clark und Choradministrator Hendrik Köhler Bauchschmerzen: Vielen solistisch ausgebildeten Sängerinnen und Sängern fehlen spezifische Fähigkeiten, die im Ensemble benötigt werden. So muss sich in den Registern der passend durchmischte Klang erzeugen lassen, Flexibilität und Spielfreude sind unabdingbar, auf soziale Fähigkeiten wird Wert gelegt. 

Hatte es bis anhin bereits die Möglichkeit für junge Sängerinnen und Sänger gegeben, als Schnupperpraktikanten die Arbeit des Opernchorbetriebs kennenzulernen, wird nun mit grösserer Kelle angerührt. Clark und Köhler haben für die kommende Spielzeit eine Opernchor-Akademie ins Leben gerufen, an welcher vier Plätze zu vergeben sind. Man richtet sich hierbei insbesondere an fortgeschrittene Gesangsstudierende und Berufseinsteiger, die an einer praxisorientierten Ausbildung zum Chorsänger bzw. zur Chorsängerin interessiert sind und Leidenschaft für das Theater mitbringen.

Die Akademisten sollen durch die ganze Spielzeit 2019/20 in einem intensiven Coaching begleitet und auf eine Berufslaufbahn im Opernchor vorbereitet werden. Natürlich wird bereits bei Eintritt erwartet, auf Top-Niveau singen zu können, sich im Opernrepertoire auszukennen und sich gut zu präsentieren. Die praktische Arbeit am Theater, die Einbindung in den bestehenden Chor und die Möglichkeit, sich punktgenau auch auf Vorsingen an anderen Häusern vorzubereiten, macht die Attraktivität dieser Akademie (der ersten ihrer Art in der Schweiz) aus. Besonders Sängerinnen und Sänger, die noch in der Phase der Laufbahnfindung stehen, können in diesem Praxisjahr Erfahrungen sammeln – und sich, so die Hoffnung, als exzellenter Nachwuchs Plätze in einem Opernchor sichern.

 

Erfolgversprechendes Casting in Basel

Clark und Köhler sind überzeugt, nach dem (unterdessen abgeschlossenen) Bewerbungsverfahren vier Plätze in allen Stimmlagen zu besetzen. Das Casting verlief erfolgversprechend.

Für die Zukunft wünscht man sich, dass die spezifischen Fähigkeiten des Opernchorgesangs bereits im Studium gefördert werden. Neben den Hochschulen sollen alle Ausbildungsanbieter talentierten Jugendlichen den Weg in diese berufliche Möglichkeit aufzeigen – denn die Arbeit geht nicht aus, im ganzen deutschsprachigen Raum sind Ensemblesängerinnen und -sänger gefragt. So könnte ein Master-Abschluss «Chorgesang» helfen, alle Aspekte dieses Berufsbilds mit einer Hochschulqualifikation zu verbinden. An der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden wird dieser bereits angeboten, in Basel laufen Gespräche mit der Hochschule.

Köhler hat die Hoffnung, dass dieser wichtige, bisher vernachlässigte Teil des Opernspektrums zukünftig mehr Präsenz erfährt und die Studierenden von der «Fixierung» auf eine Solo-Karriere absehen können.

 

Weiterführende Links:

> theater-basel.ch/Theater-Basel/OpernChorAkademie-OCA

> hfmdd.de/studium/master-weiterbildend/master-gesang-chor

> wiener-staatsoper.at/ensemble-gaeste/chor/chorakademie

 

Zuerst erschienen in Schweizer Musikzeitung 3/2019, S. 30

Anna E. Fintelmann